Was ich noch sagen wollte

PhilPublica stellt vor

Titelbild: Kira Meyer

Kira Meyer

Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Philosophie an der Universität Kiel

Was war Ihr erster Kontakt mit der Philosophie?

„Street philosophy“ könnte man meinen ersten Kontakt mit der Philosophie wohl nennen – in der Unterstufe hat unser Philosophielehrer uns auf die Straße geschickt, wir sollten Verkehrsschilder abmalen. Was das mit Philosophie zu tun hat, blieb offen.

Was hat es denn mit Philosophie zu tun?

Nun, man hätte daraus durchaus philosophische Fragen entwickeln können: Was sind Regeln und Vorschriften, wie sie beispielsweise durch Straßenschilder markiert werden, eigentlich? Wie können sie gerechtfertigt werden? Was sind gute Regeln? Gerade, weil ich mich gefragt habe, was am bloßen Aufsuchen und Reproduzieren von Verkehrsschildern nun philosophisch sein sollte, wollte ich genauer wissen, was es mit der Philosophie auf sich hat.

Was spricht gegen Philosophenkönige?

Vielleicht, dass es Philosophinnenköniginnen besser machen würden? Nein, ganz im Ernst: Weder Philosophenkönige noch Philosophinnenköniginnen sind die Lösung unserer politischen Krisen und der Erosion von Demokratien. Die Vorstellung, dass es allein auf einen Wechsel der Führungsriege ankommt, ist verfehlt.

Worauf kommt es denn stattdessen an?

Ich denke, jede*r BürgerIn sollte befähigt werden, philosophisch über die Fragestellungen der jeweiligen Zeit zu reflektieren und zu eigenen Urteilen darüber zu kommen. Insofern würde ich immer noch dem Satz zustimmen, den ich als Oberstufenschülerin im Rahmen eines Philosophie-Essay-Wettbewerbs geschrieben habe: „Nicht das Einsetzen von Philosophen-HerrscherInnen kann also ein neues, friedvolles Zeitalter einläuten; erst mit der Verwirklichung der Philosophie als Lebensform durch jeden einzelnen Bürger kann ein Ende des Unheils für die Staaten und des Menschengeschlechts garantiert werden.“

Wie stehen Sie zu philosophischen Kalendersprüchen?

Der Kalender „Was mein Leben reicher macht“, der einige der besten Antworten aus der gleichnamigen Zeit-Kolumne versammelt, und zumeist philosophische Sprüche beinhaltet, ist jedenfalls wirklich eine Bereicherung – und zugleich so etwas wie mein philosophisches „guilty pleasure“.

Über welches Thema würden Sie gern einmal schreiben und warum haben Sie es bisher nicht getan?

Mich interessiert die Frage, ob sich eine Unter- und Obergrenze für menschliche Bedürfnisse und deren Befriedigung philosophisch rechtfertigen lässt. Deren Beantwortung scheint mir vor dem Hintergrund der ökologischen Krise zentral. Sollte es beispielsweise weiterhin möglich sein, sich ein Privatflugzeug zu kaufen und damit so viel zu fliegen, wie man möchte? Oder können wir gute Gründe dafür anführen, weshalb dies ein Bedürfnis ist, das über einer bestimmten Obergrenze liegt – beispielsweise, weil dessen Verwirklichung die Erfüllung von grundlegenderen Bedürfnissen anderer Menschen (und vielleicht auch anderer nicht-menschlicher Wesen) gefährdet? Bislang hatte ich dafür schlichtweg keine Zeit, weil ich die letzten Jahre mit meiner Doktorarbeit gänzlich eingespannt war.

Das bringt uns gleich zur nächsten Frage: Worum ging es denn in Ihrer Dissertation?

Darin habe ich mich mit dem Zusammenhang von Freiheit und Nachhaltigkeit beschäftigt und eine Konzeption nachhaltiger Freiheit entwickelt. Die Frage nach Unter- und Obergrenze von Bedürfnissen hängt damit eng zusammen.

Liberale stöhnen auf, wenn sie diese Frage hören.

In der Tat. Es ist ein Thema, an dem man sich schnell ‚die Finger verbrennen‘ kann: In liberalen Gesellschaften gilt erst einmal der Grundsatz, dass jede*r über seine/ihre Lebensform, Ziele und darin zu verwirklichende Ziele selbst entscheidet. Ein Eingriff in diesen Privatbereich ist nur in Sonderfällen legitim. Die Frage nach Unter- und vor allem nach den Obergrenzen von Bedürfnisbefriedigung kann insofern, falsch verstanden, in einen Autoritarismus führen, der als solcher natürlich zurückzuweisen ist. Dennoch sollte man sich davon nicht abschrecken lassen, sich der Frage nach der Rechtfertigung von Unter- und Obergrenzen der Bedürfnisbefriedigung anzunehmen. Wir müssen versuchen, die Aufrechterhaltung eines freiheitlichen Rahmens mit der Verteidigung solcher Begrenzungen zusammenzudenken.

Warum schreiben Sie für die außerakademische Öffentlichkeit?

Auf dem Marktplatz jemanden in ein Gespräch zu verwickeln, ist nicht so mein Ding. Das habe ich eine Zeitlang mal gemacht, um für eine Radiosendung ‚Stimmen aus dem Volk‘ einzufangen und musste mich immer sehr überwinden. Trotzdem glaube ich daran, dass Philosophie ihren Platz auch außerhalb der akademischen Welt hat und haben sollte. Argumente aus dem öffentlichen Raum durchleuchten, verwendete Begrifflichkeiten abklopfen, zugrundliegende Werte herausarbeiten und bewerten – das können Beiträge der Philosophie zu öffentlichen Debatten und Prozessen der Lösungsfindung sein. Mit etwas Glück tun meine Texte für die außerakademische Öffentlichkeit das.

Worauf in der Zukunft sind Sie am meisten gespannt?

Ob wir die Transformation zur Nachhaltigkeit schaffen. Oder, vielleicht etwas optimistischer ausgedrückt: Wie die Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft gelingen wird – in Deutschland, Europa und letztlich weltweit. Die Philosophie kann dazu eine Menge beitragen, muss dies aber selbstverständlich im Verbund mit vielen weiteren Disziplinen angehen.

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